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Gesamtinterpretation 

Das Stück stellt die Frage nach der Ethik in der Wissenschaft und geht von der Erkenntnis aus, dass einmal Gedachtes oder Entdecktes nicht rückgängig gemacht werden könne. Newton und Einstein vertreten zwei unterschiedliche Formen der Wissenschaft: der eine repräsentiert die um ihrer selbst willen betriebene „reine Wissenschaft“, der andere die pragmatische, angewandte Wissenschaft. Aus beiden resultiert Wissen, das letztlich tötet. Beide scheitern. Möbius wählt als Lösung dieses Dilemmas den Weg des Rückzugs und der Isolation. Dass auch er letztlich scheitert, lässt die Schlussfolgerung zu, dass Wissenschaft zwangsläufig zum Negativen führt.

Man hat vermutet, dass Fräulein Doktor von Zahnd ebenfalls bloß eine Insassin des Irrenhauses sei und die Rolle der Ärztin nur spiele. Dem widerspricht allerdings die Tatsache, dass sie das Irrenhaus von ihrer Familie geerbt und ihr Geld in das Sanatorium investiert hat. Sie ist also tatsächlich die Besitzerin und Leiterin. Trotzdem ist ihr Wahnsinn offenkundig. Schließlich ist sie davon überzeugt, dass ihr der König Salomo erscheine und sie die Weltherrschaft übernehmen müsse.

Auch ob Newton und Einstein nur verrückt oder Agenten oder verrückte Agenten sind, ist von sekundärer Bedeutung. Primär ist die Erkenntnis, dass Wissenschaft immer auch in die falschen Hände gerät. Außerdem zeigt die Komödie, dass gemeinsame Probleme nur gemeinsam gelöst werden können. Die von Möbius gedachte Lösung, sich zu isolieren, ist zwecklos, da er durch Fräulein von Zahnd überlistet wird. Die drei Physiker bleiben zur Passivität verurteilt und können ihrem Dilemma nicht entkommen.

Als Möbius seiner Familie den (angeblich ebenfalls von Salomo suggerierten) Weltraumfahrerpsalm verkündet, betont er mit diesem leidenschaftlichen Credo, dass die Erde der einzige dem Menschen zur Verfügung stehende Lebensraum sei. Die Wissenschaft solle sich daher hüten, diesen einzigartigen Planeten zu gefährden, denn sonst werde die Menschheit in „den Wüsten des Mondes … im Staub versinken“, „in den Bleidämpfen des Merkurs verkochen“ oder „sich in den Ölpfützen der Venus auflösen“.[15]